Donnerstag, 29. November 2007
Wieder in Namche Bazaar, 3400 m Hoehe...
Nun bin ich wieder in der "Zivilisation", in dem ersten groesseren Bergdorf dieser Gegend, in Namche Bazaar auf 3400 m Hoehe. Das Erste, was mir hier auffaellt, ist die Lautstaerke, die das moderne Leben, das teilweise hier Einzug gehalten hat, mit sich bringt. Das laesst mich noch einmal verstaerkt die Stille der Bergwelt empfinden, die einzig vom Gesang des Windes durchbrochen wird.

Ich blicke auf eine unbeschreiblich reiche Zeit zurueck und waehrend ich diese Zeilen schreibe sind mein Herz bis zum Rand mit Dankbarkeit und meine Augen mit Traenen des Gluecks gefuellt.

Dies sollte nicht darueber hinwegtaeuschen, dass diese Reise in die hoechsten Gefilde dieser Welt nicht auch ihre angstvollen Seiten hatte. Es gab Naechte, da konnte ich vor lauter Sehnsucht nach Hause in die gewohnte "Sicherheit" kaum ein Auge zumachen. Dies waren vor allem die Naechte des Aufstiegs, in denen wir uns immer mehr unserem Ziel, Gorak Shep auf 5180 m Hoehe naeherten. Ein Ziel, das so manch einer zumindest uebernachtungsweise zu vermeiden sucht, da die 5000 m Marke anscheinend fuer einige ein schlechtes Omen ist, das man nicht herausfordern moechte. Zudem kam die aktuelle Nachricht ueber den Todesfall eines recht jungen Muenchner Arztes, der eben dort tot in der Toilette seiner Lodge aufgefunden worden war - Todesursache schwerer Fall der Hoehenkrankheit - nachdem er den Kalapatar, den Aussichtsberg zum Mt. Everest, 5545 m, bestiegen hatte. Auch dieses Ziel war in unseren Plaenen. Der Weg zu unserem Ziel war gesaeumt von vielen Gedenksteinen an die vielen Opfer, die der Mt. Everest schon gefordert hat. Man kann hier durchaus vom hoechst gelegenen Friedhof der Welt sprechen.

All diese Tatsachen zusammengenommen zuzueglich der unbestimmten Warnungen, die ich vor dieser Reise erhalten hatte, mit dem Hinweis, besonders auf mich aufzupassen, und der unzureichende Gesundheitszustand meines Vaters, der uns manchmal nicht ganz klar hat abgrenzen lassen, ob er sich "nur" eine Erkaeltung zugezogen hat, oder aber unter Symptome der Hoehenkrankheit leidet, fuehrten in besagten Naechten zu Unruhe, Sorge, Angst und schliesslich Fluchtgedanken nach Hause, in die Heimat, in der fuer alles so gut gesorgt zu sein scheint. Dies war begleitet von der Frage, warum ich mir so eine Reise ueberhaupt antue, in so eine Welt, die fuer menschliches Ueberleben nicht ohne Weiteres geeignet ist; hiermit meine ich die Welt ueber 4000 m Hoehe.

Wie auch immer, im Nachhinein sind dies nur noch Erinnerungen, die ich jedoch mit Respekt betrachte; im Vordergrund bleibt die bezaubernde Bilder Welt, die ich in ihrer majestaetischen Einzigartigkeit so noch nie erlebt habe.

Wir haben schliesslich 3 Naechte in Gorak Shep auf 5180 m verbracht - 3 Tage und 3 Naechte, die ich so schnell nicht vergessen werde. Im Angesicht des Mt. Everest, Top of the World, den Vollmond zu erleben, war noch mal ein extra Sahnehaeubchen. Die Gefuehle, die ich in diesen Momenten hatte, kann ich kaum in Worte fassen. Ich war einfach erfuellt von Staunen ueber die Schoenheit unserer Erde, ueber die vielen Geheimnisse und Geschenke, die sie in sich birgt und ueber die Grossartigkeit der Schoepfung an sich.

Gluecklicherweise habe ich dieses Mal keine schwerwiegenden akuten Symptome der Hoehenkrankheit gehabt, nur ein bisschen Kurzatmitkeit bei der Wanderung zum Everest Base Camp und beim Aufstieg auf den Kalapatar.

Ja, dieses Mal habe ich es geschafft, und das erfuellt mich mit Freude. Bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und eisigem Wind sass ich auf dem Gipfel dieses Berges, der endlich die Sicht auf den Giganten unter den Achttausendern, den Mt. Everest, gewaehrt, der sich ansonsten so gut zu verstecken weiss.

Aber nicht nur die Natur hat tiefe Eindruecke in mir hinterlassen, auch die Menschen, denen ich begegnet bin, haben mich teilweise sehr tief beruehrt.

Das schoenste Erlebnis habe ich gerade erst hinter mir. Meine "zweite Heimat", das Kloster Tengboche, das es mir schon im letzten Jahr angetan hatte, hat mir nun 2 Freunde geschenkt, 2 junge Moenche, mit denen ich einige wertvolle Momente teilen duerfte. Ich bin immer noch erstaunt ueber deren grosse Offenheit, das Mass ihrer einladenden Herzlichkeit und Grosszuegigkeit. Es kommt mir unwirklich vor, was ich mit den beiden erlebt habe. Ich haette nicht gedacht, dass sich so etwas ausserhalb von Romanen abspielen koennte.

Doch all das ist eine andere Geschichte, die ich bei anderer Gelegenheit erzaehlen werde.

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